Der menschliche Preis des Klimawandels

 

Der Klimawandel hat beträchtliche Auswirkungen auf die Menschenrechte: Viele Rechte sind nicht mehr gewährleistet, darunter die Rechte auf Leben, Wasser, Ernährung, sanitäre Einrichtungen oder auf ein Dach über dem Kopf. Menschen, die sich für die Umwelt engagieren, riskieren in einigen Regionen der Welt bedroht oder gar umgebracht zu werden.

 

© Gideon Mendel / Getty Images

Millionen von Menschen leiden heute schon unter den Auswirkungen extremer Wetterereignisse, die vom Klimawandel noch verstärkt werden: So gibt es auf der einen Seite Langzeitdürren in Subsahara-Afrika, auf der anderen Seite wüten regenreiche Tropenstürme in Südostasien, in der Karibik oder im Pazifischen Ozean. Schwere Überschwemmungen suchten 2023 Pakistan heim, während Madagaskar unter lang andauernden Dürreperioden litt, so dass eine Million Menschen nur noch beschränkten Zugang zu Nahrungsmitteln hatten. In Südkorea, Algerien und Kroatien haben ausserordentliche Hitzewellen im Sommer zu Todesopfern geführt.

Solche vom Klimawandel verursachten Extremereignisse, die ohne rasche Gegenmassnahmen in Zukunft noch schlimmer werden, sind ein Alarmsignal für die Menschheit. Doch noch bleibt Zeit.

Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen – der internationale Klimarat IPCC – hat warnend festgehalten: Der weltweite Treibhausgasausstoss dürfe «spätestens 2025 seinen Höchstwert erreichen» und müsse dann bis 2030 um 43 Prozent sinken, wenn wir die Erderwärmung auf 1,5° Celsius beschränken und die totale Katastrophe vermeiden wollen. Sofortiges Handeln ist nötig. Der Klimanotstand darf aber nicht als Rechtfertigung für Menschenrechtseinschränkungen herhalten.

Weshalb ändert sich das Klima?


Es gibt drei Hauptursachen :

Verwendung fossiler Brenn- und Treibstoffe

Landwirtschaft und Waldrodungen

Weitere Umnutzungen von Land

Die Durchschnittstemperaturen auf der Erde unterlagen schon immer Schwankungen. Die menschlichen Aktivitäten haben die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre aber massiv ansteigen lassen, die Erwärmung schreitet zurzeit schneller denn je an. Diese Erhöhung der Durchschnittstemperaturen auf unserem Planeten ist zu schnell, als dass sich die Lebewesen anpassen könnten.

Der Löwenanteil der Treibhausgasemissionen geht in praktisch allen Wirtschaftszweigen auf die Verbrennung fossiler Brenn- und Treibstoffe (Kohle, Erdöl und Erdgas) zurück. Dies ist für über 70 Prozent aller Treibhausgasemissionen weltweit verantwortlich. Rund ein Viertel aller Treibhausgasemissionen geht gemäss IPCC auf die Landwirtschaft und die Waldnutzung zurück (23 Prozent), sie machen also zusammen die zweitwichtigste Emissionsquelle nach dem Energiesektor aus. 40 Prozent davon entstehen durch den natürlichen Verdauungsprozess von wiederkäuenden Tieren wie Rinder, Schafe und Ziegen. Eine weitere wesentliche Emissionsquelle ist die Umnutzung von Land- und Waldflächen, wie etwa Waldrodungen oder Waldbrände. Dazu gehört die Umwandlung von Waldgebieten in Weiden für den kommerziellen Tierzucht oder in Felder und Plantagen für den Anbau von Futterpflanzen wie Soja oder für Palmöl.

Die Dürre, die Madagaskar heimsuchte, hat viele Menschen um ihre Lebensgrundlagen gebracht.
© Pierrot Men for Amnesty International

In Bangladesch bedroht der Anstieg der Wasserspiegel die an den Ufern lebende Bevölkerung.
© Jonas Gratzer

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Menschenrechte aus?

Menschenrechte und Klimawandel sind eng miteinander verknüpft: Der Klimawandel hat nicht nur Folgen für die Umwelt, sondern auch auf unser aller Wohlbefinden. Diese Folgen werden mit der Zeit immer gravierender – für heutige und  vor allem für die kommende Generationen. Insofern könnte die Passivität der Regierungen angesichts der Klimakrise die schwerwiegendste generationenübergreifende Menschenrechtsverletzung aller Zeiten darstellen. Ausserdem darf der Klimanotstand nicht als Rechtfertigung für Menschenrechtseinschränkungen herhalten.

 

   © Barcroft Media via Getty Images

Klimagerechtigkeit: Was ist das?

Der Begriff «Klimagerechtigkeit» wird von sozialen Bewegungen und Organisationen der Zivilgesellschaft verwendet, um darauf hinzuweisen, dass die Auswirkungen der Klimakrise nicht alle Menschen gleich treffen. Der Begriff der Gerechtigkeit soll deutlich machen, dass faire politische Lösungen als Antwort auf den Klimawandel erarbeitet werden müssen.

Die auf der Klimagerechtigkeit beruhenden Ansätze rücken die Ursachen der Klimakrise sowie die Art und Weise ins Zentrum, wie der Klimawandel die Ungleichheiten zwischen den Staaten und innerhalb der Länder vertieft. Die Forderung nach Klimagerechtigkeit will gegen diese Ungleichgewichte und Ungerechtigkeiten vorgehen: Das Engagement muss sich an den Perspektiven, dem Wissen und den Forderungen der von der Klimakrise am meisten betroffenen Gruppen und Gemeinschaften ausrichten.

Um zu Klimagerechtigkeit zu gelangen, müssen insbesondere Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten im Zusammenhang mit Geschlecht, Alter, Behinderung, Ethnie oder sozialem Status bekämpft werden.

Klimatische Extremereignisse, etwa Stürme, gehören zu den am besten sichtbaren Bedrohungen. © Marizilda Cruppe /AI

Überschwemmungen vertreiben immer wieder viele Menschen aus ihren Behausungen. © David Estrada

Klimawandel und Recht auf Leben

Jedes Individuum hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit. Der Klimawandel jedoch bedroht das Leben und die Sicherheit von Milliarden von Menschen auf unserem Planeten. Klimatische Extremereignisse wie Stürme, Überschwemmungen und Waldbrände sind die eindrücklichsten Beispiele dafür. Der Klimawandel bedroht das Leben allerdings auch noch auf viele andere, weniger sichtbare Weisen. Laut Prognosen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird der Klimawandel zwischen 2030 und 2050 jährlich 250’000 Todesfälle nach sich ziehen.

Klimawandel und Recht auf Gesundheit

Jeder Mensch hat das Recht auf bestmögliche körperliche und geistige Gesundheit. Laut IPCC steigt aufgrund des Klimawandels die Gefahr von Verletzung, Erkrankung- und Todesfällen – etwa wegen Hitzewellen und Bränden. Zum andern kommt es zu Mangelernährung, wenn die Nahrungsmittelproduktion in ärmeren Regionen sinkt. Und schliesslich nimmt die Gefahr von Krankheiten im Zusammenhang mit der schlechten Ernährung und dem Wasser sowie für vektorübertragene Krankheiten zu. Personen, die traumatisierenden Ereignissen wie vom Klimawandel geschürten Naturkatastrophen ausgesetzt sind, können ausserdem unter posttraumatischen Stresssyndromen leiden – davon sind insbesondere Kinder bedroht.

Klimawandel und Recht auf Unterkunft

Jeder Mensch hat das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, unter anderem auf eine angemessene Unterkunft. Mit dem Klimawandel zusammenhängende extreme Wetterphänomene, wie etwa Überschwemmungen oder Waldbrände, zerstören heute schon Wohnstätten und machen Menschen obdachlos – in der Folge kann es zu Vertreibungen kommen. Auch die durch Dürre veränderte Umwelt und der Anstieg des Meeresspiegels bedrohen die Bleibe von Millionen Menschen weltweit, die in tieferliegenden Regionen leben.

Klimawandel und Recht auf Wasser und Abwasserentsorgung

Um gesund zu bleiben, hat jeder Mensch das Recht auf Trinkwasser und auf eine funktionierende Abwasserentsorgung. Verschiedene Faktoren wie Schnee- und Gletscherschmelze, sinkende Niederschläge, Temperaturanstieg und ansteigenden Meeresspiegeln zeigen bereits jetzt, wie der Klimawandel die Qualität und Menge der Wasserressourcen bedroht. 785 Millionen Menschen verfügen heute schon weder über sichere Wasserquellen noch über eine entsprechende Abwasserentsorgung. Der Klimawandel wird die Lage nur noch verschärfen.

Wer ist vom Klimawandel am stärksten betroffen?

Der Klimawandel schadet den Menschen; wenn die Regierungen nichts unternehmen, werden immer mehr Menschen betroffen sein. Sehr wahrscheinlich ist es allerdings, dass die Auswirkungen des Klimawandels für bestimmte Bevölkerungsgruppen schlimmer sein werden als für andere; dazu  gehören insbesondere verletzliche, benachteiligte und diskriminierte Bevölkerungen.

 

© Jonas Gratzer

Menschen, die im globalen Süden leben, vor allem in Küstenländern oder kleinen Inselstaaten

Heute schon sind die Einwohner*innen von ärmeren Ländern und besonders von kleinen Inselstaaten knapp über Meereshöhe vom Klimawandel am stärksten betroffen. Oft sind es ausgerechnet diejenigen Menschen, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, die dessen Folgen am stärksten zu spüren bekommen.

Zu tun hat dies nicht nur mit der geographischen Lage, sondern auch mit zugrundeliegenden politischen und sozioökonomischen Faktoren, die die Auswirkungen dieser Phänomene verstärken. Genannt seien hier namentlich die langfristigen Folgen der Kolonialisierung und speziell die damit verbundene ungleiche Ressourcenverteilung zwischen den Staaten. Einkommensschwache Länder haben es schwerer, sich an die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels anzupassen.

Pakistan hat laut den gemeinsamen Schlussfolgerungen der Weltbank und der Asiatischen Entwicklungsbank einen Anteil von 0,4 Prozent an den seit 1959 ausgestossenen Emissionen. Das Land liegt aber in einer der vom Klimawandel am stärksten betroffenen Weltregionen. Alleine die Überschwemmungen von 2022 hatten mindestens 1600 Todesopfer und Kosten von 10 Milliarden US-Dollar zur Folge.

Bevölkerungen, die unter Umweltrassismus leiden

Die Auswirkungen des Klimawandels aufgrund der Verbrennung fossiler Brenn- und Treibstoffe können existierende Ungleichheiten sichtbar machen: etwa wenn die Umweltpolitik ethnische Minderheiten, People of Color oder andere Benachteiligten diskriminiert oder wenn diese Menschen von Führungsaufgaben in Umweltorganisationen ausgeschlossen werden.

So sind in Nordamerika hauptsächlich Menschen of Color aus den ärmsten Schichten gezwungen, verschmutzte Luft zu atmen, weil sie häufiger in der Nähe von Elektrizitätswerken oder Raffinerien wohnen müssen. Die Quoten der Atemwegs- und Krebserkrankungen ist unter ihnen höher. Personen afroamerikanischer Herkunft sind dreimal stärker als der amerikanische Durchschnitt gefährdet, an den gesundheitlichen Folgen der Luftverschmutzung zu sterben.

Marginalisierte Frauen und Mädchen

Die Frauen haben in der Gesellschaft oft Funktionen und Jobs, in welchen sie von den natürlichen Ressourcen stärker abhängig sind. Dabei ist es ihnen oft auch gar nicht erlaubt, eigenes Land zu besitzen. Frauen sind häufiger von finanziellen oder technischen Barrieren betroffen, die es ihnen erschweren, die notwendigen Mittel zu erhalten, um auf den Klimawandel reagieren zu können. Dies führt dazu, dass sie sich vor den Folgen der Klimaphänomene schlechter schützen können.

Kinder

Kinder und Jugendliche leiden aufgrund ihrer speziellen körperlichen und psychischen Bedürfnisse besonders unter dem Klimawandel. So treffen beispielsweise Vertreibungen Kinder empfindlicher, da ihre gesunde Entwicklung noch stärker vom Zugang auf Wasser, Hygiene und gute Ernährung abhängig ist. Ausserdem benötigen sie eine passende Unterkunft und Bildung.

 

Der Stimme der marginalisierten Frauen Gehör verschaffen, um sie zu schützen

Von 2002 bis 2003 drang der argentinische Ölkonzern CGC gewaltsam in das Territorium der indigenen Gemeinschaft der Sarayaku ein. Militärische und zivile Wachleute wurden abgestellt, Sprengstoff wurde verbuddelt und Wald gerodet. Es wurden Bäume gefällt, die einen hohen Wert für das Ökosystem, aber auch für die Kultur der dort lebenden indigenen Sarayaku hatten, denn den Sarayaku sind die Bäume heilig.

«Ich konnte nicht anders, als Menschenrechtsverteidigerin werden, denn die Ölkonzerne haben die Rechte meines Dorfes und meines Volkes mit Füssen getreten», sagte Patricia Gualinga, Umweltaktivistin und Wortführerin der Sarayaku. Allen voran die Frauen beschlossen, sich für ihren Wald und für die kommenden Generationen zu wehren. 2012 zogen die Sarayaku den Staat Ecuador vor den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte, weil die Regierung die Aktivitäten der CGC bewilligt hatte. Die Sarayaku gewannen den Prozess – ein historischer Sieg!

«Wir konnten andere Gemeinschaften inspirieren», erklärte Patricia Gualinga, «und wir sorgten dafür, dass die Stimme der Frauen Gehör fand. So wollten wir die Ölkonzerne dazu bringen, unser Land zu verlassen.»

Die Regierungen setzten das Verdikt des Gerichtshofs trotz dieses Siegs jedoch nicht um. Auf dem Gebiet der Bevölkerung von Sarayaku liegt immer noch Sprengstoff vergraben.

Amnesty International unterstützt die Sarayaku-Gemeinde weiterhin bei ihren Forderungen an die Regierung, den Anweisungen des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte Folge zu leisten.

Wegen der Funktionen, die sie in vielen Weltregionen innehaben, können Frauen den Herausforderungen des Klimawandels oft weniger gut die Stirn bieten. © Fahran Hossein / AI

Was tut Amnesty gegen den Klimawandel?

Die Zeit drängt, daher muss die Klimakrise uns alle, die wir die Menschenrechte verteidigen, aufschrecken: Wir müssen der Gemeinschaft der Menschenrechtsaktivist*innen aufzeigen, welche Folgen der Klimawandel auf unsere Rechte hat, aber auch, wo und wie bereits gegen die Klimakrise mobilisiert wird.

Amnesty International arbeitet in den Schlüsselländern mit verschiedenen Gruppierungen zusammen, um Druck auf Regierungen und Unternehmen auszuüben, die Fortschritte im Kampf gegen den Klimawandel behindern; wir unterstützen die Forderung nach einem raschen und gerechten Übergang zu einer Wirtschaft, die auf erneuerbare Energien setzt und für alle da ist.

© AI

Weshalb ist die Energiewende von Belang?

Die rasche Umstellung von einem auf fossilen Brenn- und Treibstoffen beruhenden Energiesystem zu Infrastrukturen, die auf erneuerbare Energien bauen, ist entscheidend, um die Treibhausgasemissionen vor 2030 um 43 Prozent zu senken und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen.

Die Regierungen müssen die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen und fundierte grüne Technologien unbedingt anführen, und zwar mit Lösungen, die weder unseren Planeten noch dessen Bevölkerung opfern. Sie dürfen diese Problematik nicht an künftige Generationen delegieren und müssen die Unternehmen gesetzlich dazu verpflichten, im Rahmen der Energiewende die Menschenrechte zu wahren.

Aufgrund einer jahrelang kaum reglementierten industriellen Praxis machen sich etwa die negativen Auswirkungen des explodierenden Batterieeinsatzes unter Bevölkerungen, die in bodenschatzreichen Gebieten leben, äusserst schmerzlich bemerkbar. Dazu gehören beispielsweise die Länder des «Lithiumdreiecks» Argentinien, Chile und Bolivien oder die Kobaltabbauregion in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo).

UNSERE FORDERUNGEN

Amnesty verlangt von den Regierungen:

Alles zu unternehmen, um zur Beschränkung der Temperaturerhöhung auf 1,5 °C beizutragen.

Die Treibhausgasemissionen bis 2050 kollektiv auf null zu senken; die reichen Länder müssen dieses Ziel rascher erreichen; bis 2030 müssen die weltweiten Emissionen gegenüber dem Stand von 2010 um die Hälfte gesunken sein.

So rasch wie möglich auf fossile Brenn- und Treibstoffe (Kohle, Erdöl, Erdgas) zu verzichten.

Dafür besorgt zu sein, dass die Klimamassnahmen die Menschenrechte nicht missachten und die Ungleichheiten eher reduzieren als vergrössern.

Zu gewährleisten, dass alle, insbesondere die vom Klimawandel oder der Umstellung auf eine Wirtschaftsweise ohne fossile Brenn- und Treibstoffe Betroffenen über umfassende Informationen verfügen und an Entscheiden, die ihre Zukunft betreffen, beteiligt sind.

Sich kooperativ zu zeigen und die Last des Klimawandels zu teilen: die reichen Länder müssen die anderen unterstützen; sie haben Wiedergutmachungsleistungen zu schultern, darunter Entschädigungen für all jene, die Schäden und Beeinträchtigungen aufgrund des Klimawandels erlitten oder noch erleiden.

Die Menschenrechte all jener in Schutz zu nehmen, die wegen des Klimawandels vertrieben werden oder von Vertreibung bedroht sind.

 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Mehr über das Engagement von Amnesty International gegen die Klimakrise und die Folgen für die Menschenrechte erfahren Sie auf unserem Klima-Portal.